KOMMEN UND GEHEN – ein Tourneebericht

Donnerstag

Wien. Es ist der 8. Juni 2023, 14:18. Der Railjet fährt ab … und während so manch eine:r von uns noch in der S-Bahn feststeckt, nehmen wir anderen erst einmal die heißbegehrten Plätze ein. Somit ist es offiziell: Die Neuen Wiener Stimmen sind wieder auf Tour! Nächster Halt, next stop: Spittal an der Drau.

Eine fünfstündige Zugfahrt steht uns bevor. Gut so, denn wir haben noch einiges zu tun. Vertieft in unsere schwarz-bepunkteten Zettelhaufen versuchen wir uns die letzten falschen Noten aus– und die richtigen Textzeilen einzulernen, während Maiswaffeln und Kekse durch die Reihen gereicht werden und das ein oder andere Flechtkunstwerk auf unseren Häupten entsteht. Irgendwann werden wir liebevoll – naja, es klingt jedenfalls liebevoll – von unserem Kärntner Zugbegleiter darauf hingewiesen, dåss da Wagon 22 a no åndare Reisende behamatet, de nit so gånz begeistat san, dåss sie sich mit am Chor is Zugåbteil teiln diafn. Okay, von nun an also lei Sprechgesang.

Um 19:14 kommen wir an (*hust* bzw. 20:18 *hust*) und gehen nun text- und zielsicher unserer Unterkunft entgegen, in der wir mit offenen Armen und kärntnerischen Klängen empfangen werden. Nach einer kurzen Katzenwäsche geht’s auf zur Probe. Unser Multitasking-Talent und Chorleiter Christoph organisiert, korrigiert, motiviert, dirigiert und telefoniert – und das alles gleichzeitig! Wir strengen uns an, denn alle sehnen wir uns nach jenem Lob, das Timo für seinen Kaiserschmarrn erhält („Super, Timo!“). Wenig später bekommen wir Verstärkung vom Singkreis Porcia, der uns zeigt, wie man die Stimmung des traumhaften Drautals einfangen kann. Nach der Probe ist es endlich Zeit, uns ins Bett zu begeben, um fit für den nächsten Tag zu sein, denn, um Wigelbeyer zu zitieren, „Morgen [sei] natürlich entscheidend für das Konzert in Spittal, das Konzert in Graz und generell, für den Lauf der Welt.“ In diesem Sinne: Guten Abend und gute Nacht!

Freitag

Ein neuer Tag erwacht und wir mit ihm. Zeit für ein ausgiebiges Frühstück! Die Frühstückszeit ist übrigens auch die perfekte Gelegenheit, um Morgenmenschen von Nichtmorgenmenschen unterscheiden zu lernen … aber wir wollen hier keine Namen nennen. Danach versuchen wir weiterzuproben, aber es ist gar nicht so einfach, denn wir haben uns offensichtlich den ein oder anderen Fan eingefangen, der kommt und geht (…und kommt und geht).

Die letzten Feinheiten werden herauspoliert. Christoph setzt sein Bestes daran, unsere Tenöre und Bässe in Semino Rossi Abbilder zu verwandeln und uns schonend beizubringen, dass ab 10:15 kein Mitleid mehr waltet. (Nota Bene: Angedrohte Geldstrafen für falsche Töne werden uns letztlich doch nicht abverlangt.) Neben tonalen Korrekturen erhalten wir auch die ein oder andere Lebensweisheit:

  1. Fantasie hat kein Gewicht.
  2. Ausgedehnte Sonnenpausen sind nicht gut für uns(ere) Stimmen.
  3. Wenn man Somebody To Love sucht, sollte man das nicht herumschreien.

Am Abend folgt unser erstes Konzert der Tournee. Zuerst aber kommen wir selbst in den Genuss, besungen zu werden. Jetzt verstehen wir, wie es klingen soll, wenn die Luft wie ein Singes aus Glas ist. Danke, lieber Singkreis! Danach dürfen wir auch singen und – was soll man sagen – unsere Lieder kommen an. Insbesondere unsere wundervollen Solist:innen und Klavierspieler:innen haben sich den herzlichen Spittaler Applaus wirklich verdient. Bei einem gemeinsamen Umtrunk lassen wir den erfolgreichen Abend zusammen mit dem Singkreis, ihren Liebsten und so manchen Evergreens ausklingen.

Samstag

Am Samstag sind wir froh über die morgendliche Busfahrt in die Steiermark, die uns noch ein bisschen Erholung und Ruhe* schenkt. In Graz holen wir uns noch eine kleine Stärkung fürs Proben und das anschließende Konzert in der schönen Schutzengelkirche, wo wir unsere Klänge verbreiten dürfen. Auch wenn unsere Intonation gelegentlich (versehentlich) nicht ganz so gut ist, sind unsere hauseigenen Schauspieler:innen umso besser, die mit ihren berührenden Szenen und Dialogen das Auf und Ab des Lebens widerspiegeln. Und auch unsere talentierten Solist:innen sind wieder am Start!

Nach dem Konzert geht’s schnurstracks zum Bus und dankbarerweise lässt unser geduldiger Chauffeur keine:n von uns zurück. So ein Glück! In Wien angekommen geht es für die meisten nach einem langen Wochenende nach Hause. Ein paar wilde Soprane, Alti, Tenöre und Bässe machen es sich allerdings noch zur Aufgabe, dem Donaukanal zu zeigen, wie sehr wir Stimmen Stimmung machen können. Wir haben getanzt, wir haben gelacht, und wir haben auch die eisernsten Nichttänzer:innen zu Tänzer:innen gemacht. Disclaimer: Die dort entstandenen Videos werden hier nicht veröffentlicht. (Ich mein’s ernst!)

El grande finale

Endlich ist er gekommen: der 17. Juni 2023. Wir sind ziemlich #proud, uns an einem so besonderen Tag noch ein letztes Mal gemeinsam auf eine musikalische Achterbahnfahrt durchs Leben begeben zu dürfen. Manch eine:r erkennt in diesem Momentum wieder einmal die Schönheit des gemeinsamen Musizierens und die Farbenfrohheit, die in uns allen schlummert und in solchen Augenblicken zum Ausdruck kommt. Wieder einmal stehen wir da am Ende eines großartigen, lehrreichen und vielfältigen Semesterprojekts – ein bisschen übermüdet, ein bisschen verändert und ein bisschen viel dankbar.
So schnell wie es gekommen ist, ist unser Grande Finale auch wieder gegangen. Aber ein Ende ist das hier keineswegs, lediglich eine Art Fermat(t)e, auf der wir den Sommer über ein bisschen zur Ruhe kommen dürfen. Ihr fragt euch jetzt vielleicht: „Und dann?“

Aber das erzählen wir euch ein anderes Mal.


PS: Christoph vermisst schmerzlich seinen Bleistift. Informationen bitte an . Und dann kannst du auch gleich deine Anmeldung für’s Vorsingen mitschicken!

* Ruhe wird von uns übrigens als Spektrum begriffen. (Ja, noise-cancelling Kopfhörer können durchaus von Vorteil sein.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.