Die neunte Symphonie von Ludwig van Beethoven zählt zu den wohl bekanntesten klassischen Werken der Welt. Die Botschaft des Textes, den Schiller im Sommer 1785 verfasste, konnten wir nun selbst in zwei sehr unterschiedlichen Kontexten verstehen lernen, denn sowohl durch die Konzerte im Wiener Musikverein als auch bei den Aufführungen in der Wirtschaftsuniversität Wien wurden wir alle ein bisschen mehr zu „Brüdern“.
„Kleider machen Leute“ – „Der Ton macht die Musik“
In unserer wunderbar bildhaften Sprache gibt es so manche Sprichwörter, die uns bewusst machen, dass es immer darauf ankommt wie man etwas macht oder präsentiert. Mit jeder noch so kleinen Variation wird sich die Wirkung im Endeffekt wandeln und einen völlig neuen Eindruck schaffen. Auch bzw. gerade bei musikalischen und schauspielerischen Inszenierungen wird dies noch einmal deutlicher und trägt maßgeblich zum Erfolg oder Misserfolg der Produktion bei.
Auch wenn bei den vergangenen vier Konzerten jeweils das gleiche Stück gespielt wurde fühlt es sich beinahe an, als hätten wir in dieser kurzen Zeit von zwei Wochen zwei ganz unterschiedliche Projekte gesungen.
Das Stück und seine musikalischen Ansprüche
Bereits beim ersten Blick in die Noten wurde uns eines klar: dieses Stück ist hoch. Sehr hoch. Und zwar sowohl was das Niveau angeht, als auch die Tonlage betreffend. Nicht wenige entschlossen sich daher, eine Stimmlage tiefer zu singen, während sich die Bässe bereit machten, die Herausforderungen der hohen Töne zu meistern.
Nicht umsonst wird Beethoven manchmal scherzhaft als der Vater der Rockmusik bezeichnet. Die prägnanten Motive, die klare Rhythmik als auch die drängende Orientierung auf das Finale des Werkes bringt durchaus so manchen Kopf dazu, im Takt mitzuwippen. Es fehlt nicht mehr viel, um daraus ein kleines Headbanging werden zu lassen.
Besondere Aufmerksamkeit wurde in unserer Probenarbeit auch der Dynamik geschenkt – wie laut oder leise eine Stelle gesungen gehört, welche Töne und Wörter besonders betont werden sollen, hat einen ungeheuren Einfluss auf die Bedeutung des Textes, der ja als Loblied auf das wunderschöne Gefühl der Freude geschrieben wurde.
Und nicht zuletzt mussten wir im Hinterkopf behalten, dass wir Beethovens letzte vollendete Symphonie mit zwei verschiedenen Dirigenten aufführen würden, die ihre jeweils unterschiedlichen Auslegungen dazu haben. Alles in allem lag vor uns also eine Zeit der intensiven Arbeit, die uns ermöglichen würde und im Endeffekt ermöglicht hat, stimmlich zu reifen und unser musikalisches Repertoire zu erweitern.
Reden ist Silber, Singen ist Gold!
Über die Grenzen Österreichs hinweg bekannt, ist der Goldene Saal des Wiener Musikvereins wahrscheinlich der Traum für viele Musiker*innen. Seine Akustik ist weltberühmt und auch für uns war es ein ganz besonderes Erlebnis, dort auf der Bühne zu stehen. Dazu kam natürlich auch noch, dass die Konzerte vom Tonkünstler-Orchester unter der Leitung von keinem anderen als dem hochkarätigen Dirigenten Yutaka Sado dargeboten wurden. Dieser ist unter anderem dafür bekannt, die „Ode an die Freude“ in Japan bereits mehrfach mit 10.000 Sänger*innen aufgeführt zu haben.
Auch wir konnten dem Gefühl, mit so vielen Menschen zu musizieren, ein klein wenig näher kommen, da wir das Konzert als Teil von insgesamt 500 Sänger*innen gestalteten.
Verbunden durch die Musik, bestärkt durch den Text, konnten Generationen-übergreifende Bande geknüpft werden, die uns alle ein wenig näher zusammenrücken ließen. Vor allem die Probenarbeit von Yutaka Sado, der uns dazu animierte, einander an den Händen zu fassen und den Puls der Musik durch einen Händedruck an den Nachbar weiterzugeben verdeutlichte uns, dass wir alle durch die gemeinsame Liebe zur Musik verbunden sind.
Sowohl die öffentliche Generalprobe (die man tatsächlich eher als Durchlaufprobe bezeichnen kann, da Yutaka offensichtlich vollauf zufrieden mit unserer Darbietung war) als auch das Konzert am darauffolgenden Tag zog Musikliebhaber in den prunkvollen Saal. Dieser Atmosphäre wurde auch die Aufführung selbst gerecht. Die Kraft, die das gemeinsame und zeitgleiche Aufstehen von 500 Sänger*innen auf Bühne, Logen und Balkonen ausstrahlt, war auch für uns Mitwirkende spürbar.
Natürlich ist es bei einer solch großen Anzahl an Singstimmen nicht einfach, einzelne Phrasen leise und mystisch klingen zu lassen. Was jedoch umso leichter fällt ist, Stellen, die vor Kraft nur so strotzen sollen in die Welt und den Konzertsaal hineinzuschmettern. Und genau dieses Gefühl war es, das uns allen schlussendlich ein Gefühl von Zusammenhalt brachte; die gemeinsame Stärke, die von uns und der Musik, gebündelt im Dirigat von Yutaka Sado, ausging.
Etwas Altes, etwas Neues
Nachdem das Projekt im Musikverein abgeschlossen war, fokussierten wir uns voll und ganz darauf, das nun bereits gut geprobte Stück mit einer völlig neuen Besetzung einzustudieren. Durch eine langjährige Freundschaft verbunden waren es die beiden Chorleiter Christoph Wigelbeyer und Michael Grohotolsky, die ihre beiden Chöre zu einer Zusammenarbeit brachten (mehr dazu in unserem Blog-Beitrag) . Wie der Name schon sagt sind die Sänger*innen in der Jugendchorakademie Wien junge Erwachsene, deren Altersschnitt daher relativ gleich dem der Neuen Wiener Stimmen ist.
Das Akademische Symphonie-Orchester (ASO), bestehend aus Studenten der Wirtschaftsuniversität Wien, rundete die Konstellation der Konzertbesetzung optimal ab.
Witolf Werner, der seit dem Frühjahr 2017 die musikalische Leitung des ASO inne hat, geleitete uns energetisch und mit sehr klaren Klangvorstellungen durch die Proben. In der vergleichsweise kleinen Besetzung wurden musikalische Feinheiten noch einmal deutlicher hervorgehoben, Tempi und Dynamik besprochen und darauf geachtet, dass Chöre, Orchester und Dirigent zu einer gemeinsamen Einheit verschmelzen konnten.
Da die Spieldauer der 9. Symphonie nur rund 70 Minuten beträgt wurde dem Publikum in der WU davor noch zwei andere Stücke geboten. Unser Auftritt stellte somit den krönenden Abschluss der Konzertabende dar.
Unser ganz persönlicher Projektabschluss fand schließlich im Café Library statt, wo noch einmal die Freundschaften mit den Mitliedern des jeweilig anderen Chores gestärkt und besungen wurde und bei welchem man nicht selten beim Anstoßen das Wort „Freude!“ hörte.